Steinmeyer Mechatronik

Experiment am Elektronenspeicherring Bessy II

Piezoelektrische Mikromotoren an Seilen

Spezialauftrag im Dienste der Forschung: Für ein Experiment am Elektronenspeicherring BESSY II in Berlin wurde der Positionierspezialist Steinmeyer Mechatronik mit der Entwicklung eines Probenmanipulators beauftragt. Neben Flexibilität und hoher Präzision wurde auch eine vakuum- und magnetfeldtaugliche Konstruktion gefordert. Für diese anspruchsvolle Aufgabe setzte das Unternehmen auf PiezoMotor-Antriebe.

Ziel der Forscher, die sich an das Dresdner Unternehmen Steinmeyer Mechatronik wandten, war die dreidimensionale Visualisierung von Magnetismus in Stromkreisen. Für ihr Experiment benötigten die Wissenschaftler extrem brillantes Röntgenlicht, wie es von der Synchrotronstrahlungsquelle BESSY II erzeugt wird. Forscher auf der ganzen Welt können diese Lichtquelle für ihre Experimente nutzen, beispielsweise zur Untersuchung von Solarzellen, Materialien zur Wasserstofferzeugung oder Quantenmaterialien. Die Strahlrohre an der Seite des Speicherrings sind mit modernsten Spektroskopie- und Mikroskopieverfahren ausgestattet.

Bild zur Veranschauung einer medizinischen Robotikanwendung
Der 5-Achsen-Manipulator war die Hauptkomponente des RICXS-Experiments am Elektronenspeicherring Bessy II in Berlin.
Foto: Steinmeyer Mechatronik GmbH

„Das sogenannte RICXS-Experiment bestand aus einer großen Anordnung mit mehreren Elementen, darunter ein Probenmanipulator, eine Kamera mit Führungssystem und eine Probenhalterung“, erklärt Elger Matthes von Steinmeyer Mechatronik. Das Unternehmen, das auf hochpräzise Positionierungsanwendungen spezialisiert ist, bietet innovative Produkte und maßgeschneiderte Lösungen für spezifische Anforderungen. Der Schwerpunkt von Steinmeyer Mechatronik liegt auf der Entwicklung und Produktion von OEM-Serien sowie komplexen Mehrachsensystemen und Einzelanfertigungen für experimentelle Anwendungen wie die der Forscher in Berlin.

Für das RICXS-Experiment musste ein 5-Achsen-Manipulator entwickelt werden, der einen montierten elektronischen Schaltkreis in das Magnetfeld eines supraleitenden Vektormagneten hob, wo dieser schließlich einer hochintensiven Lichtquelle ausgesetzt wurde. Matthes erklärt das Prinzip: „Die diffuse Strahlung wurde von einer umlaufenden Kamera fotografiert, die dreidimensionale Bilder erzeugte.“ Da hierfür ein spezielles kurzwelliges Röntgenspektrum erforderlich war, konnte das Experiment nur in einer Ultrahochvakuumumgebung bei 10E-8 mbar durchgeführt werden.

Bild zur Veranschauung einer medizinischen Robotikanwendung
Die gesamte Struktur wurde auf einer Granitplatte an einer der Strahlungslinien von BESSY II errichtet. Foto: Helmholtz-Zentrum Berlin

Ein geeigneter Antrieb für eine anspruchsvolle Umgebung

Steinmeyer Mechatronik erkannte schnell, wer der ideale Partner für diese Anwendung sein würde: Das Unternehmen arbeitet seit mehr als 15 Jahren erfolgreich mit PiezoMotor zusammen. „Wir verwenden Piezomotoren immer dann, wenn sehr hohe Auflösungen und Präzision in Kombination mit sehr kleinen Schritten und langen Verfahrwegen erforderlich sind“, erklärt Matthes. Piezomotoren nutzen Piezoelektrizität, um Bewegungen zu erzeugen. Wenn Spannung an ein piezoelektrisches Material angelegt wird, dehnt es sich aus. PiezoMotor hat die Piezo LEGS®-Beine entwickelt, die aus Keramik bestehen und sich sowohl in der Länge als auch seitlich biegen lassen. Dies führt zu Bewegung im Submikron- bis Nanometerbereich. Die Antriebe sind selbsthemmend, d. h. sie halten ihre Position mechanisch stabil und verbrauchen im ausgeschalteten Zustand keine Energie.

Der Vorteil von Piezomotoren besteht darin, dass sie keine Schmiermittel benötigen und weder Abrieb noch thermische Verdampfung verursachen. Dies macht sie ideal für den Einsatz in einer Vakuumumgebung. Da sie ohne die Wicklungen eines Elektromotors konstruiert sind, stellen sie keine Quelle für magnetischen Fluss dar und sind nicht anfällig für magnetische Störungen, wodurch sie sich auch für Anwendungen eignen, bei denen herkömmliche Motoren unerwünschte Wechselwirkungen verursachen würden. PiezoMotor bietet vollständig nicht-magnetische Motoren. „Extreme Magnetfelder in Kombination mit einem Ultrahochvakuum sind für herkömmliche Motoren eine Herausforderung“, bestätigt Elger Matthes von Steinmeyer Mechatronik. „Das und die besonderen Anforderungen an die Präzision in diesem Projekt machten die Piezomotoren zur perfekten Lösung.“

Bild zur Veranschauung einer medizinischen Robotikanwendung
Die Grundidee für den Probenmanipulator sah die Verwendung von Piezomotoren in Kombination mit Seilen vor – hier im Vordergrund ist deutlich zu erkennen, wie das an der Antriebsstange befestigte Seil aus Aramidfasern zu einer Feder geführt wird
Foto: Steinmeyer Mechatronik GmbH

Bewegungsflexibilität mit fünf Achsen

Das Ergebnis nach einer einjährigen Entwicklungszeit war ein 5-Achsen-Manipulator für kleine Antriebswege, der sechs Linearmotoren von PiezoMotor verwendet. Die Plattform, auf der die Probe später Magnetkräften ausgesetzt wird, ist mit Zugfedern an sechs Seilpaaren befestigt. Die Seile wurden verwendet, weil der Installationsraum auf die Größe eines Schuhkartons begrenzt war. Dank der Seile konnten die Konstrukteure die Kraft nun um die Ecken leiten. Die sechs Seilpaare definieren die Position der Plattform im Raum: Durch Ziehen an den Seilen wird die Plattform entsprechend bewegt. Die Seile übertragen die Antriebskraft, während die Federn die Gegenkraft erzeugen und die Schwerkraft kompensieren. „Das Ganze funktioniert wie ein Puppentheater“, sagt Matthes. „Die Seile waren eine brillante Idee unseres Kunden: Sie ermöglichen den Bau komplexer Mechanismen, die mit Nanometer-Auflösung und Stabilität auf engstem Raum arbeiten.“

Zum Einsatz kamen Motoren wie dieser LT20. Sie eignen sich besonders gut für die Verwendung im Vakuum.

Piezomotoren haben eine mechanische Auflösung von wenigen Nanometern, kombiniert mit unbegrenztem Verfahren und enormer Steifigkeit. Wo Elektromotoren für einen spielfreien Betrieb ständig geregelt werden müssen, lösen Piezomotoren dieses Problem aus sich selbst heraus. Während die Antriebsstange im Motor immer in direktem Kontakt mit den Piezoelementen steht, erzeugt die Reibungskupplung zwischen den Beinen und der Antriebsstange für Spielfreiheit, eine extrem kurze Reaktionszeit und eine hohe Auflösung. Da Klemmung und Bewegung von denselben Aktuatoren ausgeführt werden, ist im Stillstand eine starke Verriegelung ohne Stromverbrauch gewährleistet. Die Position der Probe im preisgekrönten RICXS-Experiment wurde durch sechs kapazitive Sensoren kontrolliert. „Die Motoren machen Schritte“, erklärt Elger Matthes, „aber die Länge der Schritte variiert. Die Sensoren messen die Schrittintervalle und steuern den Motor. Dies erfordert einen geschlossenen Regelkreis.“

Bild zur Veranschauung einer medizinischen Robotikanwendung
Insgesamt sechs Motoren steuerten die Plattform auf der Säule, die dann in den 1,8-Tesla-Magneten hineinragte und von extremem Röntgenlicht beleuchtet wurde
Foto: Steinmeyer Mechatronik GmbH

Der Aufbau des komplexen Systems dauerte ein weiteres Jahr bis zur Betriebsbereitschaft. PiezoMotor-Antriebe wurden darüber hinaus für die Einstellung der Röntgenkamera und die Probenbefestigung im RICXS-Experiment verwendet. Der einzigartige Probenmanipulator hat die Durchführung zahlreicher wissenschaftlicher Experimente zu magnetischen Kräften ermöglicht.